Die Bedeutsamkeit der Dokumentation
Virtuelle Kirchenbuch-Ausstellung „Migration und Mortalität in der Frühen Neuzeit – von Kastenrechnungen und Kirchenbüchern“ des Landeskirchlichen Archivs Kassel
„Flüchtlingskrise“, „Massenmigration“ oder „Multi-Kulti-Gesellschaft“ – Begriffe wie diese suggerieren, dass unsere Gesellschaft heutzutage vor nie dagewesenen Herausforderungen steht, unser Umfeld eigentlich völlig homogen ist und die „Fremden“ Unruhe in unsere sonst klar definierte Sozialstruktur bringen. Wer nur etwas tiefer eintaucht in die Geschichte unserer Gesellschaft bis hin in die eigene Familiengeschichte stellt aber fest, dass die Grenzen zwischen „uns“ und „denen“ gar nicht so klar sind, wie viele heute gerne glauben möchten. Eine virtuelle Ausstellung des Landeskirchlichen Archivs Kassel und der Deutschen Digitalen Bibliothek zeigt anhand der überlieferten Kirchenbücher und Kastenrechnungen, die als umfangreichste Quellen die Entwicklung unserer Gesellschaft nachvollziehen lassen, wie Migration der ständige Begleiter unserer Vorfahren, unseres heutigen Umfelds und auch unserer Nachfahren war, ist und sein wird. Und das ist gut so. Wer beispielsweise viele prachtvolle, barocke Kirchen in Hessen bewundern möchte, kann dies nur, weil fähige Handwerker aus Tirol als Stuckateure den Kirchenschmuck anfertigten. Doch nicht nur Erfolgsgeschichten erwarten uns, wenn wir in der Vergangenheit forschen. Auch der Tod eines vierjährigen Knaben begegnet uns in der Ausstellung, der sterben musste, weil Arbeitsmigranten von den Behörden nicht auf Dauer geduldet wurden und so immer von Territorialgrenze zu Territorialgrenze umherziehen mussten. Ohne die Dokumentation solcher Schicksale und Familiengeschichten könnten wir heute nicht aus der Vergangenheit lernen – umso mehr freuen wir uns darüber, zur Bewahrung der Geschichte und dem damit verbundenen Lernprozess beizutragen, indem wir in Zusammenarbeit mit unseren Partnerarchiven wie dem Landeskirchlichen Archiv Kassel Quellen wie Kirchenbücher der Öffentlichkeit zugänglich machen. Wenn Sie es noch nicht getan haben, stöbern Sie gerne in unseren Kirchenbüchern und gestalten Sie mit uns die Zukunft, indem Sie die Vergangenheit verstehen lernen.
Neue Kirchenbücher bei Archion
Was ging in den vergangenen Wochen online?
- Rheinland: Archiv der Evang. Kirche
mehr als 400 Kirchenbücher - Bayern: Landeskirchliches Archiv der Evang.-Luth. Kirche
mehr als 160 Kirchenbücher
Was wird derzeit importiert?
- • Sachsen: Landeskirchliches Archiv der Evang.-Luth. Landeskirche
Kirchenkreis Dippoldiswalde, Teil 1
Was kommt im Anschluss?
- Norddeutschland: Landeskirchliches Archiv der Evang.-Luth. Kirche
- Kirchenbücher aus dem Kirchenkreis Rendsburg-Eckernförde
- Kirchenbücher aus dem Kirchenkreis Ostholstein
Aktuelle Übersicht neuer Digitalisate
Marketing kein modernes Phänomen
„Marken, Firmen und Orte schmücken sich gerne mit bekannten Persönlichkeiten, in der Sprache des Marketings als Testimonials bezeichnet. Dabei handelt es sich aber nicht um ein modernes Phänomen, wie folgender Eintrag in das Tauf- und Konfirmandenregister der Gemeinde Holzhausen an der Porta von 1819 zeigt.
Hier steht geschrieben: „Johann Wolfgang von Goethe daselbst in Holzhausen I gewesen. Die Eindrücke der Holzhauser Kirche haben in seinen Werken in spätrer Zeit einen starken Niederschlag gefunden.“
Was sich wie ein Werbespruch der Tourismusbeauftragten des Ortes Holzhausen liest, wäre heute sicherlich auch so zu verstehen. Damals war es wohl eher der Stolz eines Pastors, dass seine kleine Kirche in einem kleinen Ort, möglicherweise einen großen Einfluss auf die Weltliteratur hatte, der ihn zu diesem Eintrag veranlasste. Dabei fällt auf, dass der Vermerk erst viel später, vermutlich in der Mitte des 20. Jahrhunderts, in das Buch eingetragen wurde. Können Sie sich vorstellen, von welchem literarischen Werk Goethes hier die Rede sein könnte?
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