Aus meiner Ahnenliste
Daniel Tossanus d. Ä.
* 15.07.1541 Mömpelgard
† 16.01.1602 Heidelberg
Vater: Pierre Toussaint
Mutter Jeanne Trinquatte d’Audincourt
Ehefrau: Marie Couet du Vivier
Daniel T. der Aeltere, ausgezeichnet als Apologet reformirter Lehre und hervorragend als Leiter des Kirchenwesens in der Kurpfalz, geboren zu Mömbelgard, dem heutigen Montbéliard, am 15. Juli 1541, † zu Heidelberg am 10. Januar 1602. Sein Vater Peter Toussain aus St. Laurent in Lothringen, mit Calvin und Farel befreundet, hat reformatorisch zu Metz, an einigen Orten der Schweiz, Frankreichs und in der württembergischen Grafschaft Mömbelgard gewirkt, in der Zeit des Interims aber und später der lutherischen Strömung in Mömbelgard gegenüber in den Verdacht der Accommodation bei den Reformirten durch seine Friedensliebe sich gebracht. Deßungeachtet wußte ihn Jacob Andreä 1571 vom Amte zu bringen wegen seiner reformirten Gesinnung; der zwei Jahre darauf erfolgten Restitution konnte er sich nicht lange erfreuen, da er kurz darauf starb. Daniel T. erhielt seine wissenschaftliche Ausbildung auf den Universitäten Basel und Tübingen. An letzterem Orte erfreute sich derselbe des Stipendiums des Grafen Georg von Württemberg, der seit 1553 die Grafschaft Mömbelgard in Besitz hatte. Doch sollte ihm in späteren Jahren dieses Beneficium noch vielen Aerger bereiten. Nachdem er als Magister der freien Künste 1557 Tübingen verlassen, ging er einige Zeit nach Paris, um sich in der Aussprache des Französischen zu vervollkommnen, sodann nach Orleans, wo er öffentlich die hebräische Sprache lehrte und 1562 zum Prediger an der dasigen reformirten Gemeinde berufen wurde. Hier stand er in einem reichgesegneten Wirkungskreise bis zum Jahre 1569, da er den Verfolgungen, denen seine Glaubensgenossen seitens der Römischen sich ausgesetzt sahen, weichen mußte. Er floh mit den Seinigen nach Montargis, wo er bei der Herzogin Renata v. Ferrara auf einige Zeit Schutz fand, dann nach Sancerre und von da zu seinem Vater nach Mömbelgard, den er im Predigen ein ganzes Jahr unterstützte, bis wieder ruhigere Zeiten für Frankreich gekommen. Während seines Aufenthaltes in Mömbelgard gerieth T. mit den württembergischen Theologen, welche in jener Zeit der Ubiquitätslehre sich ergeben und in eine sehr schroffe Stellung zu den Reformirten getreten waren, in Conflict seiner dogmatischen Richtung wegen. Er war daher von Herzen froh, als er im August 1571 wieder nach Orleans zurückkehren konnte. Sein Ansehen unter seinen französischen Glaubensgenossen war inzwischen gestiegen, daher er auf der Nationalsynode von Rochelle 1571 mit in die Commission gewählt wurde, welche das reformirte Bekenntniß gegen die Feinde desselben in geeigneten Schriften vertheidigen sollte. Die Provinzialsynode zu Sancerre 1572 wählte ihn sogar zu ihrem Präses. Die Greuel der Bartholomäusnacht, welche ihren Weg auch nach Orleans fanden, vertrieben bald darauf T. für immer von Orleans. Nur wie ein Wunder entkam er denselben mit seiner Familie und fand wieder für kurze Zeit einen Bergungsort in Montargis, von wo er sich nach Basel wandte. Im März 1573 traf ihn in dieser Stadt eine Berufung des Kurfürsten von der Pfalz Friedrich III. zu dessen Hofprediger. In dieser neuen Stellung, in welcher er das volle Vertrauen seines fürstlichen Herrn genoß, sah er sich bald in allerlei Streitigkeiten mit den Lutheranern und nachher auch mit den Römischen verwickelt, wie sehr er auch bei seiner Friedensliebe solchen nichts weniger als zugethan war und die Einheit des gesammten Protestantismus in seiner provocirten Polemik gegen die Kirche Roms stets betont hat. Mit dem weltlichen Mitgliede des Kirchenraths Otto v. Grünrade beauftragt, das reformirte Bekenntniß in der Oberpfalz einzuführen, fand er, besonders bei der Bürgerschaft der Stadt Amberg, dem Sitze des lutherisch gesinnten Prinzen Ludwig, des Statthalters dieses entlegenen kurpfälzischen Landestheiles, einen ähnlichen Widerstand, wie ihn vor ihm Olevianus (s. A. D. B. XXIV, 286) gefunden. Eine „Christliche erinnerung an einen Ersamen Rath vnd Gemeinde der Churfürstlichen Pfaltz Statt Amberg, von wegen jüngster mit jhnen gepflögener Handlung zu fortpflantzung vnnd erhaltung Gottseliger einigkeit in Kirchen vnd Schulen“, die T. 1575 veröffentlichte, suchte genannten in aller|Ruhe klar zu machen, daß ihnen kein neuer Glaube sollte aufgedrängt werden, vielmehr gehe es der Obrigkeit nur darum, daß die Unterthanen rechtschaffen unterwiesen würden. Seine wohlgemeinten Worte vermehrten jedoch nur die vorhandene Ausregung. Alsbald erschien gegen seine Schrift ein in sehr bissigem Ton gehaltener „Warhaffter Bericht, Eines Erbarn Burgermeisters, innern vnd äußern Rats, der Churf. Pfaltz Stad Amberg, das in jrer angehörigen Kirchen vnd Schule, die christliche, reine Lere, nach inhalt Gottes Worts, vnd der rechten waren Augsp. Confession gefüret, vnd die hochwirdigen Sacramenta gereichet, auch alle andere actus Ecclesiastici verrichtet werden. Vnd Welcher gestalt sie bey gedachter Lere vnd Kirchenordnung gelassen zu werden, jeder zeit vnd noch, vnterthenigst gebetten vnd bitten.“ Kurfürst Friedrich III. beabsichtigte hierauf, um diese Angelegenheiten besser ordnen zu können, seine Residenz für einige Zeit nach Amberg zu verlegen. Sein am 26. October 1576 erfolgter Tod befreite die Oberpfälzer von den ihnen octroirten reformirten Predigern. T., der in den letzten Stunden dem Kurfürsten mit dem Troste des Wortes Gottes zur Seite gestanden, sah sich alsbald nach dessen Ableben von dem neuen Landesherrn, dem lutherischen Kurfürsten Ludwig VI. zurückgesetzt, indem ihn derselbe bei der Leichenbeisetzung nicht die Rede halten ließ. Nur der Vermittelung des Pfalzgrafen Johann Casimir hatte er es zu danken, daß er Tags nachher eine besondere Gedächtnißpredigt in der Heiligengeistkirche halten durfte. Zwar blieb er noch bis zum Frühjahre 1577 in Heidelberg, da bis dahin der neue Fürst fern von seiner Residenz gehalten wurde. Allein die Ausübung seines Amtes ward ihm, wie den anderen reformirten Theologen untersagt, und als er dennoch, ohne Genehmigung des lutherischen Ministeriums, am 3. Februar 1577 in der Peterskirche eine Predigt über die Einsetzungsworte des heiligen Abendmahls hielt, wurde diese das Signal zum rücksichtslosesten Vorgehen gegen die reformirten Theologen, welche sich noch in Heidelberg befanden. Ausgewiesen fand er jedoch zu Neustadt a. d. Hardt, welches mit den linksrheinischen Besitzungen dem reformirt gesinnten Pfalzgrafen Johann Casimir zugefallen war, eine seiner Bedeutsamkeit entsprechende Stellung. Dieser ernannte ihn nämlich zum Generalsuperintendenten über alle Kirchen und Schulen seines Ländchens. Als der genannte Fürst, vornehmlich auf den Rath des T., am 1. April 1578 in Neustadt eine reformirte Hochschule eröffnete, berief er nebst den meisten bisherigen Heidelberger Professoren auch T. an dieselbe, wobei dieser jedoch seine kirchliche Oberaufsicht weiter führte. Ueberdies pastorirte er einige Zeit die benachbarte Wallonengemeinde St. Lambrecht, welche damals eines eigenen Hirten entbehrte. Der Fremdengemeinen in diesem pfälzischen Landestheile, wie in der Kurpfalz vordem wie auch nachher, nahm er sich überhaupt in regster Weise an. Gewöhnlich besuchte er deren Synoden, ja auf der 1582 zu Frankenthal tagenden war er sogar Präses. So war er als seines jetzigen Landesherrn rechte Hand auch nebst Ursinus dessen Begleiter auf seinem Zuge ins Lager des Kurfürsten Gebhard von Köln. Da starb der pfälzische Kurfürst Ludwig VI. am 12. October 1583 und Johann Casimir mußte aus dem kölnischen Kriege als Vormund des neunjährigen Kurprinzen Friedrich IV. und als Administrator des Landes zurückkehren. Bei dieser Gelegenheit verlegte er die unter dem Namen Casimirianum bekannte Neustadter Hochschule nach Heidelberg, nachdem er erst auf dem Wege der Güte eine Verständigung mit den lutherischen Theologen daselbst herbeizuführen vergeblich versucht hatte. T., der als Hofprediger alsbald mit dem Pfalzgrafen Johann Casimir zurückgekehrt war, wurde allenthalben mit Feindlichen Blicken von jenen begrüßt, welche nun allsonntäglich von der Kanzel herab die reformirte Lehre verlästerten. Auch|eine Disputation, am 4. April 1584 von Johann Jacob Grynäus, der von Basel dazu berufen worden, geleitet, erwies sich als nutzlos; gegen das unterm 19. Februar 1584 erlassene Mandat des Administrators, die Abschaffung der Calumnien und Lästerung betreffend, reichten die lutherischen Prediger der Hauptstadt sogar eine Resolution ein. Nach wie vor beharrten dieselben bei ihren öffentlichen Lästerungen auf die reformirte Lehre vom Abendmahl und von der Person Christi. Daher erfolgte endlich am 17. Juli genannten Jahres ihre Entlassung. Inzwischen wurde T. als Rathgeber des Pfalzgrafen Johann Casimir von Lucas Osiander dem älteren, der ihn schon wegen seiner im J. 1578 veröffentlichten „Trostschrifft an alle guthertzige Christen, so von wegen der reynen, vnd vom Papistischen sawerteig gesäuberten Lehr der Sacramenten, vnd besonders des H. Abendtmals angefochten werden“ nebst Johann Marbach in Straßburg und Nicolaus Cancerinus, Superintendenten der Grafschaft Harburg und Herrschaft Reichenweiler in Elsaß angegriffen hatte, worauf sich T. gründlich vertheidigt, und von Jacob Andreae in dessen Confutatio disputationis J. J. Grynaei, Tubing. 1584 in einer geradezu ehrenrührigen Weise sammt seinem Vater beschimpft. Er selbst schwieg auf diese gemeine Behandlung, die ihm mit Grynaeus widerfuhr. Die Antwort aber, welche die Heidelberger Prediger gaben in „Epistola Consolatoria ad rever. et gravissimos Theologos, D. Jac. Andreae: et D. Lucam Osiandrum 1584“, war die glänzendste Rechtfertigung seiner Person. Wenige Jahre später fing Samuel Huber aus Bern, den der Größenwahn in die lutherische Kirche getrieben, welche seinen vagesten Universalismus selbst nicht toleriren konnte, über der Prädestinationslehre mit T. Streit an. Niemand hat vielleicht diesen händelsüchtigen Menschen besser beurtheilt als T. in seiner Erwiderung, betitelt: „Des Schwindelgeists eigentliche Merckzeichen in dem unruhigen Mann Sam. Huber, der sich wider den ewigen vnd gerechten rath Gottes zu einem fürsprecher der verworffenen vnd verdampten mit großer vngestümme auffgeworffen. Newstadt an der Hardt 1592“. Am heftigsten aber war die Polemik, in welche er sich mit mehreren Jesuiten verflochten sah, besonders mit Petrus Thyraeus, der allen Ernstes den evangelischen Pastoren alle Legitimität absprach. T. trat als deren Anwalt auf und suchte auf Grund der heiligen Schrift und der Kirchenväter die Rechte einer christlichen Obrigkeit, die Diener der Kirche zu berufen oder auch ihre Berufung zu bestätigen, mit Verwerfung der ausschließlichen bischöflichen Machtbefugniß dazu, nachzuwerfen in seiner Schrift: „De Jure Vocationis et Missionis Ministrorum Evangelicorum, Theses apologeticae“ (Heidelb. 1587). Die jesuitische Gegenschrift: „De ratione examinandi et examine apologeticarum thesium nuperrime a Thyraeo edito“ ist überreich an persönlichen Invectiven und behandelt T. wie einen dummen Jungen. In einer hierauf publicirten „Epistola, nouthetice sive admonitoria“ antwortet T. in einem durchweg ruhigen und gemessenen Tone, geht aber auf die Geschichte einiger Päpste ein, wodurch nun Thyraeus aufs höchste gereizt wird und seine und seines Gegners bisher erschienenen Schriften zusammenstellt und mit geharnischten Vorreden versehen, welche seine vermeintliche Ueberlegenheit und des Antagonisten Schwäche darthun, 1589 zu Mainz veröffentlichte. T. brach hierauf die directe Polemik ab, gab aber in seinem, ein Jahr später erschienenen „Pastor Evangelicus, sive de legitima Pastorum evangelicorum vocatione, officio et praesidio“, einer Pastoraltheologie, eine vortreffliche Widerlegung aller Scheingründe des genannten Jesuiten. Von geringerem Interesse war der Streit mit Laurentius Arturus und Nicolaus Serrarius. Von gleichem dauernden Werthe sind die Schriften, welche T. gegen die Ketzereien Kaspar Schwenkfeld’s, die in der Kurpfalz ziemlich damals verbreitet|waren, geschrieben hat. Er hat damit den Vorwurf, der mit Unrecht bis auf die Gegenwart so oft der reformirten Kirche gemacht wird, daß sie in ihrer Lehre zu spiritualistisch sei, gänzlich entkräftet und gezeigt, daß diese vielmehr überaus biblisch, nüchtern und allem schwärmerischen und subjectiven Wesen abhold sei. Schon der Titel der ersten Auflage seiner Hauptschrift gegen Schwenkfeld: „Gründlicher notwendiger beweiß, daß die heutige Secten vnnd spaltungen einen liebhaber der Warheit von der Christl. euangelischen Religion nicht abhalten sollen“ (Heidelb. 1575) ist in dieser Beziehung charakteristisch. Aber nicht bloß in Schriften für das Volk, worunter wir auch mehreren Predigtsammlungen begegnen, sondern auch in gelehrten Disputationen, welche unter seiner Leitung die Studirenden der Theologie hielten, und sonstigen Abhandlungen wirkte er im allgemeinen für die biblische Wahrheit und die Sache des Protestantismus und im speciellen für das reformirte Bekenntniß. Die meisten seiner Werke sind noch heute von großem Werthe, so seine Commentare zu den Büchern des Neuen Testaments und seine Erklärung der Klagelieder Jeremiä, seine „Synopsis de Patribus“ u. a. Mehrere derselben sind in englischer, holländischer und französischer Uebersetzung erschienen. In letzterer Sprache hat er selbst einige erbauliche Schriften publicirt, unter welchen sein treffliches, auch deutsch erschienenes Gebetbüchlein „L’exercice de l’âme fidèle“ zu nennen ist. Im J. 1586 erwarb sich T. die Doctorwürde in der Theologie, in welcher er damals die erste Professur an der Heidelberger Universität erhalten hatte. Auch ward er Mitglied des kurpfälzischen Kirchenraths. Tief beugte ihn der Verlust seiner ersten Gattin, einer gebornen Covet aus Paris, am 28. März 1587. Von seinen zwei ihn überlebenden Söhnen ist der nachbenannte als ein bedeutender Gelehrte zu nennen, welcher den litterarischen Nachlaß des Vaters mit stattlichen Vorreden herausgegeben hat. Mehrere Töchter verheiratheten sich mit berühmten Männern, so Renata, welche als Gattin des Kirchenrathes Joh. Wigand Spanheim die Stammmutter des bekannten Gelehrtengeschlechts Spanheim wurde; und Johanna, verehelicht mit Joh. Friedr. Schloer, aus deren Ehe die gelehrte Theologenfamilie Mieg hervorgegangen ist.
Quelle: Cuno, „ Tossanus, Daniel“, in: Allgemeine Deutsche Biographie 38 (1894), S. 469-474 [Onlinefassung]; URL: http://www.deutsche-biographie.de/artikelADB_pnd119393697.html
weitere Informationen zur Familie und deren Genealogie finden sich in der Datenbank.