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In begründeter Fortführung der Böhmerschen Konzeption der Kaiserregesten bietet die Bearbeiterin sehr gelungene Regesten zu König Karl dem Kahlen von Westfranken von den Nachrichten aus erzählenden Quellen über seine Geburt 823 bis zur Krönung in Orléans 848. Erst nach 127 Regesten kann sie sich auf die bewährte Edition der Urkunden durch Georges Tessier stützen, die erst ab Oktober 840 beginnen. Den Gewinn gegenüber der Edition von Tessier beschreibt die Bearbeiterin bescheiden (X): ein Deperditum für die Bischofskirche St. Peter zu Bremen aus dem Winter 837/838 (Reg. 67), ein wieder aufgefundenes Original (Reg. 411), mehrere Deperdita (Regg. 347, 369, 372-388, 448 und 540) sowie Korrekturen bei der Beurteilung von Ganz- bzw. Teilfälschungen. Von 610 Regesten beziehen sich nur 147 auf Urkunden. Erst nach der Schlacht von Fontenoy am 25. Juni 841 setzt eine nennenswerte Urkundentätigkeit ein, während bis dahin nur fünf Diplome bekannt sind. König Karl wurde nach seinem Sieg über Kaiser Lothar I. und vor allem nach dem Vertrag von Verdun für die kirchlichen Empfänger interessant, deren Loyalität bis dahin als eher begrenzt zu betrachten ist. Durch die Regestierung der historiographischen Quellen wird die Urkundenproduktion in die generelle Regierungstätigkeit des Herrschers eingebettet und gewinnt aus der politischen Kontextuierung eine besondere Anschaulichkeit. Dabei gelingt die eine oder andere Präzisierung. So erhält beispielsweise die Annahme, dass Karl der Kahle bereits 829 als König von Alemannien zu bezeichnen ist, im Gegensatz zu der Dukat-Theorie mehr Sicherheit.
Es spricht ferner für die solide Gründlichkeit der Bearbeiterin, die erst 2005 die Aufgabe übernahm, nachdem 1982-1983 Dr. Marie-Louise Crone damit befasst gewesen war, dass sie Fragen der Datierung und Genealogie vorsichtig entscheidet und die Alternativen offen hält. Die Regesten gelten zunächst einmal dem Westfrankenreich im engeren Sinne, zu dem später diejenigen des Königreichs Aquitanien in Form eines eigenen Bandes hinzugefügt werden sollen. Ein sorgfältig zusammengestelltes Personen- und Ortsregister rundet den Band ab. An die Erstellung eines Sachregisters ist wohl nicht gedacht. Dies bietet für die Urkunden die Edition von Tessier, wenngleich recht unvollständig. Die Literatur ist bis 2006, also bis unmittelbar vor der Drucklegung erfasst. Wenn bei der Fortsetzung dieses nützlichen Werks überhaupt etwas zu wünschen übrig bleibt, dann gegebenenfalls die Marginalie, eine größere Sensibilität für die gegenwärtigen Fragen zum karolingischen „Lehnswesen“ zu entwickeln. So dürfte es sich bei den Gütern, die Karl der Kahle dem Kloster Saint-Maur-sur-Loire „in ius beneficiarium“ übertrug und die mit dem Neunten und Zehnten belastet waren, aller Wahrscheinlichkeit nach nicht um ein Lehen, sondern um eine „precaria verbo regis“ gehandelt haben, die zu Zinsrecht zunächst an einen Getreuen und dann an das Kloster ausgetan worden waren (vgl. bereits die Forschungen von Émile Lesne zum Benefizialwesen).
Brigitte Kasten
Quelle:
Brigitte Kasten: Rezension von: Irmgard Fees (Bearb.): Die Regesten des Westfrankenreichs und Aquitaniens. Teil 1: Die Regesten Karls des Kahlen 840 (823) – 877. Lieferung 1: 840 (823) – 848, Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2007, in: sehepunkte 7 (2007), Nr. 9 [15.09.2007], URL: http://www.sehepunkte.de/2007/09/13054.html